»Gerai-good-gut«. Wenn dann zu den 3 Umgangssprachen litauisch, englisch
und deutsch auch noch russisch dazu kommt, weil der eingeladene Gast am liebsten
russisch spricht, dann wird es ganz schön kompliziert. Unsere Übersetzer hatten
viel zu tun bei der diesjährigen Litauenfahrt vom 19.-30. Juli.
Wir, das waren 7 junge Leute und 4 Erwachsene aus Bergkirchen, 7 Jugendliche und
4 Erwachsene aus der reformierten Gemeinde Detmold -Ost mitsamt ihrem Pfarrer
Burkhard Krebber, 2 Bewohner der Stiftung Eben-Ezer, eine 17-jährige Kamerafrau
aus Mülheim/Ruhr und 13 litauische SchülerInnen aus Birzai mit ihren 2
Begleitern.
Mit diesem stattlichen Team von 41 Menschen im Alter von 12-70 Jahren hatten
wir uns vorgenommen den alten jüdischen Friedhof in Kretinga wieder Instand zu
setzen, Grabsteine freizulegen, die von Bäumen und Sträuchern überwuchert waren
oder umgestürzt waren. Wir sammelten Müll aus verwahrlosten Bereichen, schnitten
Gras, bürsteten Grabsteine sauber und malten das schmiedeeiserne Tor mit
frischer Farbe an. Manchmal gelang es mir auch mit einer Sammlung von
hebräischen Friedhofsausdrücken Grabsteine zu entziffern.
Z.B. hatten unsere Jungs am letzten Tag den Stein von "Rabbi Dov... Eliyahu
Katzenellenbogen, gest. 1925" umgedreht und waren ganz erstaunt über diesen
merkwürdigen Namen, der auf deutsch und hebräisch dort eingemeißelt war. Auf dem
Friedhof konnten sich alle mit ihren Fähigkeiten einbringen und jedeR war
nützlich. Das Mittagessen nach der Arbeit wurde uns von der "Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit Lippe" spendiert, die diese Arbeit ideell und
materiell unterstützt und aus deren Reihen auch Teilnehmende mit dabei
waren.
Das Projekt. das nun schon zum 5. Mal in Folge realisiert wird, wird dieses
Jahr gefördert im Programm EUROPEANS FOR PEACE der Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) und vom Auswärtigen Amt in Berlin. Nachmittags
bzw. abends ging es dann mit Seminareinheiten weiter, die alle unter dem Thema
standen: "Diskrimierung: Augen auf. Projekte über Ausgrenzung damals und heute".
Besonders gelungen waren die workshops mit dem bekannten litauischen Pantomimen
Arkadijus Vinokuras, der uns selbst dazu brachte, Szenen zu den Schwerpunkten
"Rassismus -Diskriminierung - Güte - Liebe" zu entwickeln und den anderen
vorzuführen.
Dabei erwies sich die geschickte Kleingruppenbildung aus Jung und Alt,
Mädchen, Jungen, mit und ohne Behinderung, Deutschen und Litauern, als sehr
anregend. Abends sangen wir mit Herrn Vinokuras noch jüdische und internationale
Lieder im Freien. Für manch einen unserer neuen Teilnehmenden waren die
Gespräche mit Herrn Vinokur und den zwei Zeitzeugen des Holocaust und dem
Gemeindeleiter der jüdischen Gemeinde Klaipeda die ersten Begegnungen mit
jüdischen Menschen überhaupt.
Von Gregori Kupersmidt zu hören, dass er 2 Tage nach seiner Geburt in ein KZ
kam und später nur Dank der Hilfe eines deutschen Offiziers, Wilhelm Ahrens,
diese Hölle überlebt hat, beeindruckte uns alle tief. "In jeder Nation gibt es
Genialität und Niederträchtigkeit", sagte Herr Kupersmidt. Jefim Grafman,
Mitglied der jüdischen Gemeinde von Panevezys, geboren in Leningrad, erzählte:
"Es schmerzt auch heute, wenn man an die eigene Kindheit zurückdenkt und an die
Juden, die im wahrsten Sinne des Wortes aus der Todesgrube herausgestiegen sind.
Sie waren verletzt, aber durch Zufall am Leben geblieben, weil die Menschen, die
sie zum Sterben geschickt haben, ihre Arbeit nicht bis zu Ende erledigt
hatten."
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Klaipeda, Feliksas Puzemskis,
freute sich über die freiwillige Arbeit der litauischen und deutschen
Jugendlichen. Er besuchte am Freitag den jüdischen Friedhof in Kretinga.
"Wenn man diese Zusammenarbeit sieht und den Wunsch, unsere Geschichte
richtig zu verstehen, dann kann man fest glauben, dass die schrecklichen
Erreignisse der Vergangenheit sich nie wiederholen.", sagte Herr Puzemskis.
Unserem Arbeitseinsatz folgten dann noch ein paar Urlaubstage im Badeort
Sventoji mit Sonne und Strand, und einem unvergesslichen Ausflug zur kurischen
Nehrung mit Europas größter Wanderdüne. Leider war die baltische See zu
aufgewühlt und stürmisch, um richtig zu schwimmen, aber beeindruckend war sie
schon. Und den perfekten, doppelten Regenbogen am letzten Abend verstehen wir
als Segenszeichen über einer rundherum gelungenen Begegnungsfahrt. Gott sei
Dank!
Cornelia Wentz